Amanda's Blog

Wenn du verbal angegriffen wirst...

Geschrieben von Amanda Gerber | Jul 12, 2025 8:31:03 AM

... dann reagiert dein Körper. Doch was genau passiert da? Und warum fällt es uns schwer, ruhig zu bleiben? In diesem Artikel bringe ich Antworten auf diese beiden Fragen. Ich gebe dir Tipps, wie du in einer solchen Situation umgehen kannst und ich richte mein Wort am Schluss an Personen, die andere verbal angreifen.

 

In meinem Beruf als Begleiterin von stressgeplagten Berufstätigen und als HR-Profi beobachte ich immer wieder, dass Menschen ihre Mitmenschen verbal angreifen. Sie attackieren bewusst auf persönlicher Ebene mit dem Ziel das Gegenüber zu destabilisieren. Und das, obwohl sich das Gespräch eigentlich um einen Sachverhalt dreht. Beispiel gefällig? Gerne:

 

Stell dir vor Kim trifft sich mit einem Kunden zur Preisverhandlung eines Designerprojekts.

Kim: „Für das Projekt würde ich pauschal CHF 5'200.- ansetzen. Das deckt den gesamten Aufwand inklusive zwei Korrekturschleifen ab.“

Kunde: „Also ehrlich, für so ein bisschen Grafik ist das ganz schön viel, finden Sie nicht?“

Kim: „Ich verstehe, dass der Preis hoch wirkt. Aber er basiert auf dem tatsächlichen Zeitaufwand, der Erfahrung und den Marktpreisen in der Branche.“

Kunde startet zum Angriff: „Ich kenne genug Designer, die sowas für die Hälfte machen – und die sind auch nicht schlechter. Sie überschätzen Sie sich massiv?“

Kim fühlt sich gekränkt: „Wie meinen Sie das? Bin ich in Ihren Augen einfach irgendeine überteuerte Anfängerin? Schön zu wissen, wie wenig Sie meine Arbeit schätzen.“

Kunde: „Na ja, wenn Sie gleich so dünnhäutig reagieren, bestätigt das ja nur meinen Eindruck. Ein Profi würde souveräner bleiben.“

Kim reagiert mit einem Gegenangriff: „Wissen Sie was? Vielleicht sollten Sie sich wirklich an einen der Billiganbieter wenden. Dann bekommen Sie auch genau das: Billigqualität. Mit Ihrer respektlosen Art wundert mich das kein bisschen.“

Kunde reagiert wütend: „Tja, so viel zur Professionalität. Wenn das Ihr Verhandlungsstil ist, dann bin ich froh, dass wir das noch rechtzeitig gemerkt haben. Ich suche mir jemand anderen.“

Kim: „Tun Sie das. Und sparen Sie sich in Zukunft Ihre herablassenden Kommentare – das hat nichts mit Verhandlung zu tun, sondern mit Respekt.“

 

Wenn du dich in Kim hineinversetzt, was fühlst du während und nach diesem Gespräch?

Reagieren wir, wie oben Kim, emotional, war der Angriff erfolgreich. In unserem Beispiel startet Kim einen Gegenangriff. Zwei andere typische Reaktionen wären, dem Gespräch aus dem Weg zu gehen oder still zu bleiben und gar nichts mehr zu sagen. Alle drei Reaktionen sind exakt dieselben, die einst der Steinzeitmensch beim Angriff des berühmten Säbelzahntigers hatte: Kampf, Flucht oder Todstellen – Stress pur.

 

 

 

Reaktionen des Körpers auf einen Angriff

Dein Gehirn unterscheidet also nicht, ob du körperlich oder verbal angegriffen wirst. Die Reaktion ist die Gleiche.

Bei einem Angriff kommt es in deinem Körper zu verschiedenen Reaktionen, die eine schnelle Flucht oder einen Kampf ermöglichen. Die Gehirndurchblutung wird gesteigert, wodurch die Konzentration zunimmt. Du bist wach und fokussiert. Auch dein Herz wird besser durchblutet, schlägt schneller und kräftiger. Dies spürst du vor allem dann, wenn das Herz wortwörtlich bis zum Hals schlägt. Die Muskelspannung wird erhöht. Der Schultergürtel wird oft hochgezogen, um den Hals zu schützen. Die Reflexe verbessern sich. Die Atmung wird flacher und beschleunigt sich. Du atmest häufiger ein, was dazu führt, dass dein Körper besser mit Sauerstoff versorgt wird.
Und dein Körper schaltet alle Funktionen runter, die im Moment nicht dienlich sind. So hemmt er die Verdauungstätigkeit und vermindert den Sexualtrieb.

Ohne diese Reaktionen hätten wir evolutionstechnisch nicht überlebt und wären schon längst ausgestorben. Doch heute gibt es keinen Säbelzahntiger mehr. Heute ist der es der Chef, die Kollegin, der Bekannte, die Arbeit, der Zeitdruck, die Prüfung, der Schmerz, Lärm, Hitze und vieles mehr.
Bei einem verbalen Angriff sind wir nicht am Leben bedroht, obschon es sich manchmal so anfühlt. Wir benötigen die uralte Reaktion des Körpers auf Stressauslöser in diesem Fall nicht mehr.

Weil aber die Körperreaktionen bei einem Stressauslöser reflexartig und unbewusst ablaufen, ist es für uns kaum möglich nicht zu reagieren.
Bleiben wir im unbewussten Zustand, überwältigen uns Emotionen und Gedanken und wir reagieren mit Gegenangriff, Flucht oder Todstellen. Wut oder Ohnmacht bringen uns zu Handlungsweisen wie Rumschreien, Äusserungen auf persönlicher Ebene, Rechtfertigungen, Opferhaltung, Weinen, etc.
Nicht selten schaukelt sich ein solches Gespräch weiter hoch, bis wir wütend auseinandergehen. Oft bereuen wir danach unser Verhalten. Wir fühlen uns schuldig, schlecht und leer. Wir zweifeln an uns selbst und fragen uns, warum wir uns zu dieser Handlung verleiten liessen. Doch was wäre eine bessere Reaktion in einem solchen Moment?

 

 

Was hilft?

Oft reagieren wir sofort, weil wie oben beschrieben, unser Gehirn blitzschnell eine Schutzreaktion auslöst. Daraus folgen Emotionen. Doch diese Reaktion ist bei verbalen Angriffen wenig hilfreich. Es gilt also als primär Distanz zu gewinnen und bei sich zu bleiben. Und das gelingt mit Zeit.

Du kannst also…

  • Zeit gewinnen durch Rückfragen: «wie meinst du das?» «habe ich das gerade richtig verstanden…»
  • Pausen aushalten. Zähle zum Beispiel langsam von eins bis fünf. Oder du benennst die erst besten fünf Gegenstände, die dir ins Auge springen. Pausen haben auf unser Gegenüber eine irritierende und manchmal sogar beruhigende Wirkung, auch wenn das vielfach nicht offensichtlich ist. Uns geben diese Pausen die Möglichkeit bei uns selbst zu bleiben. Wir können spüren was in uns gerade passiert und gewinnen so Distanz.
  • Weiter kannst du dein Nervensystem beruhigen, indem du dich auf die Atmung konzentrierst. Im Stresszustand atmen wir vor allem ein und kurz. Langsames Ausatmen beruhigt.
  • Vielleicht gelingt es dir sogar in die Metaebene zu wechseln. Stell dir vor du wärst ein Vogel der sich fragt: was geschieht hier gerade? Durch diese Frage gewinnst du ebenfalls Distanz zur Situation und zum Angriff.

 

Früher hat sich unser körperliches Warnsystem von selbst wieder beruhigt, wenn die Gefahr vorüber war. Heute bleiben wir länger in diesem Zustand, weil wir häufiger Stressauslöser erleben. Ist die unangenehme Situation des Angriffs vorbei, bleiben wir oft in Grübeleien und mit den Emotionen sitzen. Wir empfinden weiterhin Wut, Ohnmacht, Traurigkeit, Schuld, etc. Um wieder etwas zur Ruhe zu kommen, könnte dir folgendes helfen:

  • Bewegung: es spielt keine Rolle, ob du Laufen gehst oder einen kurzen Spaziergang machst. Bewegung bringt dich dazu deine angestaute Energie rauszulassen. Du lässt somit «Dampf ab».
  • Sprich mit einer Freundin, einem Kollegen oder einer anderen Vertrauensperson darüber was geschehen ist. Was genau ist passiert? Wie hast du dich gefühlt? Was könntest du daraus lernen? Selbstreflexion bringt dich persönlich weiter und ist die Basis dafür, dich in einer ähnlichen Situation zukünftig gefasster zu verhalten.
  • Tue dir etwas Gutes. Nimm zum Beispiel ein Bad, gönn dir eine Massage oder kauf dir ein Eis.

 

 

Fazit:

Angriffe lösen körperliche Stressreaktionen aus, die gleich sind wie jene des Steinzeitmenschen. Obwohl wir es so erleben, sind wir heute nicht unbedingt mehr am Leben bedroht. Heutige Stressoren sind nicht selten zwischenmenschliche Beziehungen. Wir können andere Menschen nicht ändern, wir können aber lernen mit verbalen Angriffen, die uns persönlich treffen umzugehen. Und übrigens, keiner sagt es wäre leicht. Es braucht, wie alles im Leben, Übung.

 

Zum Schluss ein Wort an den Angreifer oder die Angreiferin

Ich plädiere an dieser Stelle zu mehr Respekt und besserem Umgang miteinander. Bevor du einen Angriff startest, überlege dir, was dieser Angriff über dich selbst aussagt. Warum hast du es nötig, jemand anderen verbal oder körperlich anzugreifen?

Und natürlich hast du vielleicht mal einen schlechten Tag. Dein Gegenüber hat jedoch in den meisten Fällen nichts damit zu tun.

 

Alles Liebe

Deine Amanda

 

Wenn du deine Stressauslöser identifizieren und lernen möchtest, mit ihnen besser umzugehen, dann begleite ich dich gerne dabei. Melde dich für ein kostenloses Erstgespräch oder du besuchst meine Angebotsseite, indem du auf den untenstehenden Button klickst.